4. Etappe: Martin Busch Hütte – Tscherms

Auf den Spuren von Hans Rey und Ötzi

Matratzenlager in Hütte bedeutet: viele Menschen in einem Raum – viele Menschen bedeuten: hoher Luftverbrauch und folglich schlechte Luft – schlechte Luft bedeutet: irgendjemand wird immer dafür sorgen, dass in der Nacht das Fenster auf ist, egal wie kalt es ist, obwohl ich wohl in dieser Nacht den Erstickungstod dem Erfrieren vorgezogen hätte. Ironischerweise wird die eiskalte Nacht von einem noch kälteren Morgen getoppt, der ein erneutes Einschlafen erfolgreich verhindert. Mein Versuch, den fehlenden Schlaf durch ein Foto vom Sonnenaufgang wieder wettzumachen scheitert bereits 10m vor der Linse an einer mich komplett umgebenden Nebelwand. Konsequent bringt auch das Frühstück keine Stimmungsbesserung: 4 Scheiben Brot mit Belag – da hätte noch mehr Platz. Und wie solls auch anders kommen: der Hüttenwirt kann nicht viel gutes über das Wetter berichten: „Wechselhaft, wenn man Pech hat alles gleichzeitig“. Bei über 3000 Metern Höhe sollte man mit dem Wetter nicht spaßen – aber wir wollen da hoch.

Die Martin Busch Hütte im Morgennebel

Die Martin Busch Hütte im Morgennebel

Da gehts zum Niederjoch hinauf

Da gehts zum Niederjoch hinauf

Also brechen wir auf, hinein in die große Wolke. Aber naja, es regnet nicht und das ist schonmal toll. Der Weg ist wie erwartet bis auf den Anfang unfahrbar, naß und teilweise sogar matschig. Insgesamt maximal 500hm Schieben ist uns dieser Übergang über den Alpenhauptkamm aber allemal Wert. Zwischendurch reißt der Nebel sogar einmal auf und man kann das Niederjoch sehen – fünf Minuten später scheitert allerdings der Fluchtversuch vor der nächsten großen, herannahenden Wolke und es ist wieder alles dicht. Dafür dürfen wir uns im oberen Teil über immer größere Steine freuen, und müssen sogar ab und zu unser Rad geschultert durch diese Marslandschaft tragen. Nach einem finalen Schneegestöber im Nebel erreichen wir den Gletscherrand, über den man hier ein Stück schieben muss, und lassen endlich den Nebel langsam hinter uns. Auf den letzten Metern können wir kaum unseren Augen trauen, denn auf der anderen Seite des Jochs herrscht Traumwetter. Neu motiviert klettern wir zur hier befindlichen Similaunhütte und wärmen uns und unsere Räder im Eingangsraum bei einem leckeren zweiten Frühstück. Jetzt können wir schon stolz auf uns sein, denn nicht jeder kommt mit seinem Bike auf über 3000hm. Ergänzung am Rande: Hier ganz in der Nähe wurde 1991 die Gletschermumie „Ötzi“ gefunden.

Kurze Tragepassage unterhalb des Niederjochs im leichten Schnellfall

Kurze Tragepassage unterhalb des Niederjochs im leichten Schnellfall

Hier muss man 100m über den Gletscherrand schieben

Hier muss man 100m über den Gletscherrand schieben

Ich(Flori1) vor der Similaunhütte

Ich(Flori1) vor der Similaunhütte

Die Similaunhütte(rechts) am Niederjoch

Die Similaunhütte(rechts) am Niederjoch

Aufwärm und Brotzeitpause in der Similaunhütte

Aufwärm und Brotzeitpause in der Similaunhütte

Nachdem wir die traumhafte Aussicht nach Süden lange genug genossen haben, gehts an den mit Spannung erwarteten Trail. Die oberen 200hm sind prinzipiell absolut unfahrbar. In engen Spitzkeren geht es steil einen felsigen, verblockten Hang hinunter. Dennoch ist hier einmal ein wahnsinniger Mountainbikefahrer – eigentlich der wohl bekannteste überhaupt – hinuntergefahren: Hans Rey; wobei balancieren und hüpfen das Ganze wohl eher trifft. Jedenfalls schieben und tragen wir hier, bis es erst schotterig, und dann fahrbar wird. Der weitere Trail gestaltet sich als zwar technisch anspruchsvoll, aber bis auf ein paar Ausnahmen fahrbar. Oben hat er einen felsigen und steinigen Charakter, und wandelt sich dann später in einen Wiesentrail, bevor man unmittelbar oberhalb des Vernagtstausees wieder auf Asphalt gelangt. Mitten auf dem Trail geht meinem Vorderreifen allerdings die Puste aus, und das Loch im Schlauch auf der Innenseite will so gar nicht erklären warum. Aaron hingegen feilt mehrfach an seiner Absteigetechnik – über den Lenker versteht sich, und kontrolliert, wie er sagt (jedenfalls landet er immer auf den Beinen und tut sich nicht weh).

Durch dieses Tal führt der Trail hinunter zum Vernagtstausee

Durch dieses Tal führt der Trail hinunter zum Vernagtstausee

Unfahrbares Schiebestück auf den ersten Meter des Trails

Unfahrbares Schiebestück auf den ersten Meter des Trails

Trailäktschn: Aaron,...

Trailäktschn: Aaron,…

...Aaron+Anderl,...

…Aaron+Anderl,…

Am Ende des Trails wartet wie schon erwähnt der Vernagtstausee auf uns, wir schwingen uns bei sommerlicher Wärme in luftige Klamotten und geniesen den See bei der zweiten Hälfte unsere Brotzeit. Beim anschließenden Asphaltbrettern ins Etschal hinunter (auch hier hätte es einen tollen Trail mit Einstieg am anderen Staudammende gegeben) liefere ich mir ein Duell mit einem Lieferwagen. Weil ich zwischendrin für ein Foto anhalte kann ich ihn mit seinen 50km/h gleich sage und schreibe zwei Mal überholen. Der Italiener nimmt das gelassen und winkt mir unten am Ende des Berges, wo wir Drei pausieren, grinsend zu.

...Ich(Flori1),...

…Ich(Flori1),…

...Anderl (gestikuliert der Kuh, was er von ihrem Rastplatz hält),...

…Anderl (gestikuliert der Kuh, was er von ihrem Rastplatz hält),…

...Anderl,...

…Anderl,…

...und nochmal Aaron.

…und nochmal Aaron.

Jetz müssen wir eigentlich nur noch ein paar Kilometer bis Meran fahren, was auf dem Etschtalradweg aber nur sehr zäh von statten geht. Langweiliger als auf diesem Radweg kann es eigentlich nicht mehr sein, denn dieser führt bretteben und geteert an der Etsch entlang – die Radlautbahn. In Meran angekommen ist die Jugendherberge leider ausgebucht. Eine anständige und vor allem billige Unterkunft lässt sich nicht finden, darum suchen wir nur noch nach einem Supermarkt, finden stattdessen ein Radgeschäft, kaufen neue Müsliriegel, und fahren weiter Richtung Ultental, das uns morgen beschäftigen wird.

Der Vernagtstausee

Der Vernagtstausee

Der unglaublich langweilige und monotone Etschradweg

Der unglaublich langweilige und monotone Etschradweg

In Tscherms werden wir mithilfe der Touristeninfo fündig und quartieren uns in einer Pesion ein, deren Besitzerin sich lauthals darüber beschwert, dass so wenig Pensionen hier Gäste für eine Nacht nehmen. Gemäßigte Jubelschreie verursacht die Lage an einem Hang: 50 Bonushöhenmeter wollen noch erkurbelt werden, aber der heutige Tag war in Bezug auf Höhenmeter ja sowieso Kindergarten. Auf Empfehlung der Besitzerin finden wir außerdem inmitten der Apfelfelder noch eine nette Gäststädte, die sich unseres Hungers annehmen darf. Und dann folgt, manch einer mag es schon ahnen, ein warmes, gemütliches Bett.

Höhenprofil

Höhenprofil 4. Etappe, Transalp 2006

Karte

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