Wir haben die Schweizer Gastfreundlichkeit schon ziemlich in unser Herz geschloßen und das heutige Frühstück gibt uns auch keinen Anlass dies zu ändern – im Gegenteil wir laden auf als gäb es kein Morgen mehr. Der erste Anstieg zur Alp de Gallo gibt uns aber gleich die Chance all das wieder abzustrampeln und belohnt uns mit einer Landschaft, die man normal nur auf Kitsch-Postkarten zu sehen bekommt. Wer würde sich vor dieser Kulisse nicht zu einem Shooting überreden lassen? Fotografen gibt es genug im Team, mit den gutaussehenden Models wird es schwierig, aber die Kurven der Alpe Buffalora lassen darüber hinweg blicken.
Die 14 Serpentinen hinab zum Lago di Livigno laden zum Heizen und Driften förmlich ein – wir lassen uns gerne verführen.
Ab der Malga Trela verlassen wir die Kiesstraße. Ein gut befahrbarer Wanderpfad inmitten grüner Bergwiesen führt uns zur Boccheta di Trela. Der Anstand lässt uns hier eine kleine Pause einlegen, um die vom Sonnenlicht herausgeputzten Gletscherspitzen der Ortler- und Berninagruppe zu grüßen. Unsere Mägen verschmähen den Anblick und zeigen durch energisches Knurren, dass es höchste Zeit für die Abfahrt und damit für das erste Mittagessen in Bella Italia ist.
FloFX ist auf der kompletten Transalp darauf bedacht, möglichst viele „Gegner“ durch seine bloße Anwesenheit, oder, falls diese nicht ausreichend ist, durch verbale Querschläger ins Unterholz zu schicken. So wird auch bei diesem Mittagessen eine Gruppe deutscher Pauschalbiker mit dem wirklich verführerischen Versprechen „Gratiskuchen auf Passhöhe“ einen Straßenpass hinauf gejagt, damit restlos entsorgt und stellt somit bei der folgenden Auffahrt auf den Passo di Verva kein schiebendes Hindernis mehr dar.
Nach der Abfahrt füllen wir in Grosio zum letzten Mal unsere Energiespeicher, denn es kündigt sich ein weiteres Highlight dieser Tour an: Der Passo Mortirolo. Wir haben uns aus zwei Gründen für genau diesen Straßenpass entschieden. Zum Einen da wir der Meinung sind, dass ein Uphill auf klassischem schwarzem Untergrund Bestandteil jeder Transalp sein sollte und zum anderen, weil er sich durch diverse Bergetappen des Giro d´Italia einen berüchtigten Ruf erarbeitet hat.
Gerade als der letzte Riegel Schokolade seinen Weg in den Mund findet, gesellt sich ein in Rothaus-Trikots gekleidetes Trio zu uns, das, wie wir erfahren, ebenfalls den Mortirolo als Endstation für ihr heutige Etappe gewählt hat. Wir sehen gleich, dieses Trio wird uns ebenbürtig sein. Perfekter kann in unseren Augen eine Etappe nicht zu Ende gebracht werden: Zwei gleichstarke Teams messen sich auf einem italienischen Straßenpass! Wir sollten aber schon bald das erste Mal feststellen, dass uns Team Rothaus schicksalsmäßig überlegen war. FloFX verliert seine Brille an die gefräßigen Stollen seines Vorderreifens und selbiger macht daraus ein 1000-Teile Puzzle. Ein Brillenglas rettet sich ins italienische Unterholz, aber ward trotz intensiver Suche nicht mehr gesehen. Wir verarzten die Überreste großflächig mit Tesa und setzen uns geschlagene 15min später wieder in Bewegung. Die Rothaus-Bande bringt in der Zwischenzeit Serpentine für Serpentine hinter sich. Also heißt es für uns: Aufholen! Wir kämpfen uns gemeinsam – einen Alleingang steht nicht zur Debatte – durch den Anstieg und haben schon bald die ersten Zwei hinter uns. Nummer Drei hat die Flucht nach vorne ergriffen. Doch unsere Waden haben genug von der Aufholjagd. Wir finden uns mit der “Niederlage” ab und drosseln das Tempo. Pünktlich zum Abendessen erreichen wir die Passhöhe, wo das dritte Mitglied der Rothaus-Bande bereits seit 10 min seinen Feierabend genießt…
Auch wenn wir das Rennen auf den Mortirolo nicht gewinnen konnten, wird jedem von uns zum wiederholten Male klar, dass wir als Team unschlagbar sind. Was an den letzten beiden Tagen auch kommen mag, wir sind bereit dafür!
Pässe
- Passo del Gallo
Auffahrt: Forstweg von der Alp Buffalora. Wenige, dafür extrem steile Rampen.
Abfahrt: S0; breiter, flowiger und landschaftlicher Genießertrail, absolut zu empfehlen! - Bocchetta di Trela
Auffahrt: Steiler Forstweg zur Malga Trela, dann weiter auf fahrbarem, konditionell anspruchsvollem Singletrail.
Abfahrt: S1; kurzes Stück Trail, dann Forstweg. - Passo Verva
Auffahrt & Abfahrt: Forstweg, in der Auffahrt einige steile Rampen. - Passo Mortirolo
Auffahrt: Klassischer, wenig befahrener Straßenpass. Alle 100hm grüßt ein Schild mit Höhenangabe, da kommt Rennfeeling auf.